Die deutschen Unterhändler

Berlin, 6. November (eigene Meldung) Die deutsche Kommission zum Abschluß des Waffenstillstandes besteht aus dem General von Gündell, dem General von Winterfeldt, früheren deutschen Militärattaché in Paris, Admiral Meurer und dem früheren Staatssekretär Hintze.

Die deutschen militärischen Unterhändler für die eventuellen Friedensverhandlungen sollen general von Weisberg und Admiral von Bülow sein.

Waffenstillstands-Verhandlungen

Wir sind einen Schritt weiter. Die Verhandlungen über den Waffenstillstand können beginnen. Die deutsche Delegation ist von Berlin nach dem Westen abgereist, um den Waffenstillstand abzuschließen und zugleich die Verhandlungen über den Frieden aufzunehmen. Beides gehört zusammen, weil Deutschland selber den Waffenstillstand von der Annahme der 14 Punkte Wilsons und seiner späteren Botschaften durch die Entente abhängig gemacht hat. Es ist heute müßig zu untersuchen, ob dies Vorgehen richtig war; es läßt sich darüber noch nicht in aller Freiheit reden. Wir stellen uns auf den Boden der Tatsache, daß diese Verbindung gewählt worden ist.

Die Alliierten benutzen diese Lage, indem sie schon zum Waffenstillstand eine gewiise Vorentscheidung über den Frieden treffen. Zunächst haben wir die Räumung sämtlicher besetzten Gebiete zugestanden. Sodann wurde verlangt und anerkannt, daß die Bedingungen des Waffenstillstands die militärische Überlegenheit der Feinde vollständig sichern, ja erhöhen müsse. Welchen Grad von Sicherheit man fordert, geht aus der Wendung hervor, daß Deutschland die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten unmöglich sein soll. Man kann sich demnach eine Vorstellung von der Art der Bedingungen machen nd hat ja inzwischen auch unverbürgte, doch nicht unwahrscheinliche feindliche Presseäußerungen darüber erfahren. Überall dies war Präsident Wilson, der einen gerechten Frieden verheißen hat, mit seinen Verbündeten einig. Die Anerkennung des tschechischen und des südslawischen Staats, wodurch einer der 14 Punkte aufgegeben wurde, und die Bedingungen eines Waffenstillstands, welche Bulgarien, die (!) Türkei und Österreich-Ungarn auferlegt worden sind, haben indessen erwiesen, daß sich der Präsident nicht stark genug fühlt, wenn er es wirklich auch will, der Gewaltpolitik der Entente Zügel anzulegen.

Die neue Note Wilsons bestätigt diesen Eindruck. Nur in der Form ist es gelungen, die Entente zur Annahme des Wilson-Programms zu bringen. Die Auslegung des Wilson-Programms wird in allen Einzelheiten der unbeschränkten Macht der Alliierten vorbehalten. Wir wissen also heute noch gar nicht, ob diese Auslegung überhaupt noch den vernünftigen Sinn des Wilson-Programms irgendwie wahren wird.

Es kommt nun sogleich hinzu, daß die Entente in ihrem Momorandum an Wilson von vornherein erklärt, daß sie zwei Fragen in einem ganz bestimmten Sinn erledigen wird. Die Freiheit der Meere will sie nur so annehmen, wie es ihr beliebt. Man kann kaum erwarten, daß dabei etwas anderes herauskommt als die absolute Seeherrschaft Englands und Amerikas. Deutschland soll ferner alle, aber auch ale Kriegsschäden ersetzen. Wie hoch die Summe sein wird, die hierunter verstanden wird, kann noch niemand sagen. Aber sicher ist, daß damit von Deutschland eine sehr hohe Kriegsentschädigung verlangt, daß also auch hierin die Wilsonschen Grundsätze aufgehoben werden. Der Präsident hat diesen Forderungen der Entente ausdrücklich zugestimmt, ihnen also in der Hauptsache schon nachgegeben. Man weiß, daß die Entente schonals Teil der Waffenstillstandsbedingungen die Herausgabe Elsaß-Lothringens und die deutschen Kolonien festsetzen wollte. Es wird sich zeigen, ob die Bedingungen der Feinde tatsächlich dies einschließen. Ist das der Fall, so ist im Hinblick auf die weiteren Vorbehalte der Entente über die Freiheit der Meere und die Entschädigung zu sagen, daß ein Friede, der auf Grund dieser Forderungen geschlossen werden müßte, kein Rechtsfriede, sondern ein Gewaltfriede wäre. Das sollen in Deutschland auch diejenigen sich klarmachen, die uns selber Gewaltpolitik vorgeworfen haben. Niemals und erst [recht] jetzt nicht haben die Feinde die Absicht gehabt, Mäßigung zu üben, so oft und so pathetisch sie erklärt haben, daß der Friede gerecht sein müsse; und alle fehlerhafte militärische Politik Deutschlands ist harmlos gegen die Art, mit der die Feidne ihre Macht ausnutzen gegenüber den Staaten des ehemaligen Vierbundes. Wir werden ja sehen, welche Haltung Präsident Wilson bei den Friedensverhandlungen einnimmt; von seiner Ideologie ist bis jetzt jedenfalls noch wenig verwirklicht worden. Der Völkerbund, der auf Grund einer Vergewaltigung Deutschlands zustande käme, kann der Welt den dauernden Frieden nicht geben.

Die Vernunft hat wieder eine schwere Niederlage erlitten.

A.S.

Neue Badische Landes-Zeitung, Donnerstag, 7. November 1918, Morgen-Ausgabe

 

 

Über den Waffenstillstand

6.11.1918

Neue Badische Landes-Zeitung, Donnerstag, 7. November 1918, Morgen-Ausgabe

Stadtarchiv Mannheim


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