Rede von der internationalen Gerechtigkeit

Haag, 6. November (Telegramm unseres No-Sonderberichterstatters)

Bei einem Bankett der amerikanischen Journalisten erklärte Lord Cecil: Die Behauptungen, im Waffenstillstandsvertrag mit der Türkei kämen geheime Bedingungen vor, seien durchaus unbegründet. Er könne im Namen der Alliierten sagen, daß sie es für ihre Pflicht hielten, dafür zu sorgen, daß die Herrschaft der Türkei über die unterdrückten Nationalitäten definitiv zu Ende sei. Was die Bedingungen des mit Deutschland abzuschließenden Waffenstillstandes anbelange, so habe man es mit einem Feinde zu tun, der durch Wort und Tat gezeigt habe, daß er sich nicht um ein gegebenes Wort kümmere. Diese Tatsache müsse den Alliierten bei ihren Verhandlungen dauernd vor Augen schweben. Wir müssen für den Waffenstillstand Bedingungen stellen, die eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten unmöglich machen. Wir müssen ferner uns gewärtig halten, daß wir beim Aufstellen unserer Forderungen uns nicht auf die Worte deutscher Staatsmänner verlassen können, sondern allein auf ausreichende materielle Garantien. Bezüglich der Frage, was nach dem Kriege zu tun sei, sagte Cecil, daß die Verantwortung nicht auf den Staatsmännern ruhe, sondern auf den Völkern zweier großer Nationen, die heute bei dem Festessen vertreten seien.

Die Zukunft der Welt würde zum größten Teil davon abhängen, was die beiden englisch sprechenden Völker beschließen würden, wenn der Sieg erzielt sein werde. Auf ihnen ruhe der größte Teil der Verantwortung bei der endgültigen Lösung dieses großen Weltkonflikts. Cecil berührte dann die großen Fragen, die gelöst werden müßten in der von ihm sonst so beliebten Methode, wobei er nicht zu erwähnen vergaß, daß England nicht um Macht oder Gebietsgewinn in den Krieg hineingegangen sei. England habe nur den größten Schlag, der bisher gegen die internationale Gerechtigkeit geführt wurde, parieren wollen.

(Hoffentlich teilt nun England, um Lord Cecil beim Wort zu nehmen, nicht seinerseits beim Frieden den größten Schlag gegen die internationale Gerechtigkeit aus, den er heute Deutschland anzukreiden versucht. Jetzt wenigstens erscheint die Haltung der Entente nicht gerade im erhabenen Licht der internationalen Gerechtigkeit, sondern nur in dem blutroten Glanz der militärischen Siegerbrutalität, der auch Wilson das Opfer seiner Ideologie bringen soll. Red.)

Neue Badische Landes-Zeitung, Donnerstag, 7. November 1918, Morgen-Ausgabe

 

 

Zum bevorstehenden Waffenstillstand

6.11.1918

Neue Badische Landes-Zeitung, Donnerstag, 7. November 1918, Morgen-Ausgabe

Stadtarchiv Mannheim


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