Ein Aufruf des Reichskanzlers

Berlin, 6. November (WTB. Amtlich)

Der Reichskanzler erläßt folgenden Aufruf an das deutsche Volk:

Präsident Wilson hat heute auf die deutsche Note geantwortet und mitgeteilt, daß seine Verbündeten den 14 Punkten, in denen er seine Friedensbedingungen im Januar d.J. zusammengefaßt hatte, mit Ausnahme der Freiheit der Meere zugestimmt haben und daß die Waf-fenstill-standsbedingungen durch Marschall Foch mitgeteilt werden.

Damit ist die Voraussetzung für die Friedens- und Waffen-still-standsverhandlungen gleiochzeitig geschaffen worden. Um dem Blut-vergießen ein Ende zu machen, ist die deutsche Abordnung zum Ab-schluß des Waffenstillstandes und zur Aufnahme der Friedens-verhandlungen heute ernannt und nach dem Westen abgereist.

Die Verhandlungen werden durch Unruhen und disziplinwidriges Verhalten in ihrem erfolgreichen Verlauf ernstlich gefährdet.

Über vier Jahre hat das deutsche Volk in Einigkeit und Ruhe die schwersten Leiden und Opfer des Krieges getragen. Wenn in der entscheidenden Stunde, in der nur die unbedingte Einigkeit des ganzen deutschen Volkes die groiße Gefahr für seine Zukunft abwenden kann, die inneren Kräfte versagen, so sind die Folgen nicht abzusehen.

Die Aufrechterhaltung der bisher bewährten Ordnung, der völligen Manneszucht ist in dieser Entscheidungsstunde die unerläßliche Forderung, die jede Volksregierung stellen muß.

Mag jeder Staatsbürger sich der hohen Verantwortung bewußt sein, die er in der Erfüllung seiner Pflicht dem Volke gegenüber trägt.

Der Reichskanzler Prinz Max von Baden

Neue Badische Landeszeitung, Donnerstag, 7. November 1918 - Morgen-Ausgabe

 

 

Ein Aufruf des Reichskanzlers

6.11.1918

Neue Badische Landeszeitung, Donnerstag, 7. November 1918 - Morgen-Ausgabe

Stadtarchiv Mannheim


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