Ein Aufruf der Volksregierung.

Berlin, 4. November (WTB Amtlich)

Die Not der Zeit lastet auf der Welt und auf dem deutschen Volke. Wir müssen diese schweren Tage und ihre Folgen überwinden. Heute schon müssen wir arbeiten für die glücklicheren Zeiten, auf die das deutsche Volk ein Anrecht hat. Die neue Regierung ist am Werk, diese Arbeit zu leisten. Wichtiges ist erreicht.

Das gleiche Wahlrecht in Preußen ist gesichert.

Eine neue Regierung hat sich aus den Vertretern der Mehrheitsparteien im Reichstag gebildet.

Der Reichskanzler und seine Mitarbeiter bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags und damit des Volkes.

Grundlegende Rechte sind von der Person des Kaisers auf die Volksvertretung übertragen worden.

Kriegserklärung und Friedensschluß unterliegen der Genehmigung des Reichstages.

Die Unterstellung der Militärverwaltung unter den verantwortlichen Reichskanzler ist durchgeführt.

Eine weitgehende Amnestie wurde erlassen.

Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit sind gewährleistet, doch viel bleibt noch zu tun.

Die Umwandlung Deutschlands in einen Volksstaat, der an politischer Freiheit und sozialer Fürsorge hinter keinem Staat der Welt zurückbleiben soll, wird entschlossen weitergeführt.

Die Neugestaltung kannn ihre befreiende und heilende Wirkung nur ausüber, wenn sie einen Geist in den Verwaltungs- und Militärbehörden findet, der ihre Zwecke erkennt und fördert. Wir erwarten von unseren Volksgenossen, die in amtlicher Stellung dem Gemeinwesen zu dienen berufen sind, daß sie uns willige Mitarbeiter sein werden.

Wir brauchen in allen Teilen des Staates und des Reiches die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit durch das Volk selbst. Wir haben Vertrauen zu dem deutschen Volke. Es hat sich in vier furchbaren Kriegsjahren glänzend bewährt. Es wird sich nicht von Phantasten sinnlos und nutzlos inneues Elend und Verderben hineintreiben lassen.

Selbstzucht und Ordnung tut not. Jede Disziplinlosigkeit wird den Abschluß eines baldigen Friedens aufs schwerste gefährden.

Die Regierung und mit ihr die Leitung von Heer und Flotte wollen den Frieden. Sie wollen ihn ehrlich und sie wollen ihn bald. Bis dahin müssen wir die Grenzen vor dem Einbruch des Feindes schützen. Den seit Wochen in hartem Kampfe stehenden Truppen muß durch Ablösung [Ruhe] geschaffen werden. Nur zu diesem Zwecke, aus keinem anderen Grunde sind die Einberufungen der letzten Zeit durchgeführt worden.

Den Mannschaften des Landheeres und der Flotte wie ihren Führern gebührt unser besonderer Dank, durch ihren Todesmut und ihre Manneszucht haben sie das Vaterland gerettet.

Zu den wichtigsten Aufgaben gehört der Wiederaufbau unserer Volkswirtschaft, damit die von der Front in die Heimat zurückkehrenden Soldaten und Matrosen in geordneten Verhältnissen die Möglichkeit vorfinden, sich ihre und ihrer Familie Existenz wieder zu sichern. Alle großen Arbeitgeberverbände haben sich bereit erklärt, ihre früheren, jetzt eingezogenen Angestellten und Arbeiter sofort wieder einzustellen. Arbeitsbeschaffung, Erwerblosen-Unterstützung, Wohnungs-fürsorge und andere Maßnahmen auf diesen Gebieten sindteils in Vorbereitung, teils schon ausgeführt.

Deutsche Maänner und Frauen! Kampf und Friede sind unsere gemeinsame Aufgabe. Staat und Reich sind unsere gemeinsame Zukunft. Euer Vertrauen, das uns unentbehrlich ist in der Stunde der Gefahr, ist in Wahrheit nichts anderes als das Vertrauen des deutschen Volkes zu sich selbst und zu seiner Zukunft. Die gesicherte Zukunft Deutschlands ist unser Leitstern.

Berlin, 4. November 1918

Der Reichskanzler: Prinz Max von Baden, der Stellvertreter des Reichskanzlers: von Bayer, ....Scheidemann, Gröber, Erzberger, Haußmann....

Neue Badische Landeszeitung, Dienstag, 5. November 1918 - Abend-Ausgabe

 

 

Ein Aufruf der Volksregierung

4.11.1918

Neue Badische Landeszeitung, Dienstag, 5. November 1918 - Abend-Ausgabe

Stadtarchiv Mannheim


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