AOL historisch betrachtet....... |
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| Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, ich begrüße Sie heute, am 30. Januar des Jahres 2314, recht herzlich auf unserer außerordentlichen Sitzung zur Erfor-schung prähistorischer Kommunikationsmethoden. Anlaß dieser Sitzung ist ein phänomenaler Fund, der bei Ausgrabun-gen nahe einer deutschen Kleinstadt gemacht wurde. Hier fielen uns Dokumente von bisher nicht abschätzbarem Wert in die Hände, die sehr eindrucksvoll belegen, wie unsere Vorfahren in ferner Vergangenheit miteinander kommuniziert haben. Worum geht es? Unsere Recherchen haben ergeben, daß es vor der Jahrtausendwende eine "Firma" (so nannte man es zu dieser Zeit) namens "AOL" gegeben haben muß. Die Bedeutung dieses Buchstabenkürzels ist noch unklar. Ein Teil meiner Kollegen vertritt die Auffassung, es sei die Abkürzung für "Absolut ordinäre Laberer", während andere die Meinung vertreten, das Kürzel stehe für "Alles ohne Logik". Eine verschwindend kleine Forschergruppe behauptet allerdings, es stünde für "Aberwitzig obergeile Lüstlinge", diese Meinung teile ich allerdings bisher nicht. In der Zeit vor der Jahrtausendwende war es offensichtlich verboten, das Haus zu verlassen. Die Kommunikation fand statt, indem sich die Menschen, die Interesse an einem Gespräch mit anderen Menschen hatten, vor ein in der Regel beigefarbenes Kästchen setzten, das bunte, bewegte Bilder in Form von Schrift zeigte. Ein längliches Eingabegerät, an dem man verschiedene Tasten drüc-ken mußte, transferierte die eigenen Gedanken in das beigefarbene Kästchen, so daß auch alle anderen an diesen Gedanken teilhaben konnten. Diese Gedanken wurden von der Firma in Form schriftlicher Ausdrucke erfaßt. Und eben diesen Ausdrucken verdanken wir die Tatsache, ein weiteres, dunkles Kapitel unserer Vergangenheit aufzudecken. Betrachten Sie nun bitte zunächst auf der Leinwand hinter mir einen kurzen Auszug aus dem Protokoll dieses Gedankenaustausches. |
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| Soweit der Auszug, meine Damen und Herren. Ich verstehe Ihre
verständnislosen Gesichter, uns ging es am Anfang unserer Forschung
genauso, glauben Sie mir bitte! Nach meinen Erläuterungen werden Sie
aber mehr verstehen. Beginnen wir zunächst in der rechten Spalte. Hier
handelt es sich um die Namen der Menschen, die sich gerade in diesem
Gedankenaustausch befinden. Noch ungeklärt ist, warum sich die Menschen
der Frühzeit Namen gegeben haben, die teilweise nicht aussprechbar sind,
offenbar hängt das mit der Unterentwicklung des Kehlkopfes zusammen,
der zu dieser Zeit noch nicht so ausgeprägt war. Wir gehen davon aus,
daß die seinerzeitigen Kulturen keine Probleme mit der Aus-sprache
hatten. Rechts finden Sie dann den Gedankengang des jeweiligen Menschen.
Nach vielen Bemühungen haben wir es teilweise geschafft, diese kurze
Kommunikation zu entschlüsseln. Bedenken Sie hierbei bitte, daß
wir stets versu-chen mußten, uns auf das seinerzeitige Niveau dieser
Kultur runterzudenken! Beginnen wir mit dem Menschen "Will335548". Hier ist ganz offensichtlich, daß sein Eingabegerät einen schweren Funk-tionsfehler aufweist, so daß er trotz seiner Bemühungen nicht in der Lage ist, an der Kommunikation teilzunehmen. Zwischen "Conn4ever" und "BEIchFC" findet offenbar gerade ein Balzritual statt, wie wir es auch auf anderen Auszügen zwischen Männchen und Weibchen immer wieder fanden. Die Begriffe "freu!!" und "Huhuuu" sind als Beginn eines Vorspiels zu sehen und signalisieren dem Eingeweihten eine eventuelle Paarungsbereitschaft zwischen diesen beiden Beteiligten. Der Begriff "LOL" ist noch etwas unklar, aber da er auch immer wieder auftaucht, gehen wir davon aus, daß die Betreffenden hiermit einen Zungenfehler signalisieren wollen. Andere Beteiligte antworten dann ebenfalls mit "LOL", zeigen hiermit also, daß das Mitglied trotz des Zungenfehlers in der Gemeinschaft akzeptiert wird. Den Begriff ";-)))", der sich manchmal über eine ganze Zeile hinzieht, können Sie getrost ignorieren. Hier handelt es sich ebenfalls um Funktionsstörungen der jeweiligen Eingabegeräte, und zwar insofern, daß sich nach der Eingabe des Gedankens einige Tasten verklemmen. Je nach Dauer der Behebung dieser Verklemmung gerät dieser Begriff dement-sprechend länger oder kürzer. Probleme bereitete uns zunächst der Begriff "list me". Nachdem wir unzählige andere Ausdrucke, die auch immer dieses "list me" enthalten, ausgewertet und im jeweiligen Zusammenhang verglichen haben, wurde uns die Bedeutung doch sehr schnell klar. Mit "list me" bat das Männchen in einer Demutsgeste darum, in diese Kommunikation aufgenommen zu werden, so daß auch seine Gedanken gelistet werden. Andere Männchen fügten dem oft ein "me too" hinzu, wollten also ebenfalls aufgenommen werden. Dieser Wunsch wurde aber sehr oft verweigert, wir fanden hier immer wieder eine Floskel namens "liste dich alleine!". Ein Auflisten der Gedanken des Betreffenden war also nicht erwünscht und wurde deutlich signalisiert, worauf der Abgewiesene sehr schnell den beigefarbenen Kasten verließ. Auch der Begriff "cu" war sehr schnell geklärt. Es handelt sich hier um die Abkürzung "connection under". Bei einer be-ginnenden Funktionsstörung des Eingabegerätes war dies das letzte verzweifelte Signal des Anwenders, um den ande-ren die unterbrochene Verbindung mitzuteilen. Da wir diesen Begriff immer wieder fanden, ist davon auszugehen, daß die Technik zu der Zeit erhebliche Fehler aufwies. Interessant ist der Begriff "Sorry, hatte AOL-Freiflug", der in anderen Variationen ebenfalls oft auftaucht. Ein sehr interessantes Phänomen! Nach intensiver Forschung sind wir zu folgendem Schluß gekommen: Menschen, die sich durch einen besonders eifrigen Gedankenaustausch hervortaten, wurden von der Firma AOL belohnt, und zwar dadurch, daß sie innerhalb des beigefarbenen Kästchens blitzartig in einen anderen, neuen Bereich versetzt wurden. Es handelte sich also quasi um eine wohlwollende Überraschung, die von allen Beteiligten immer wieder mit Gelächter quittiert wurde. Anscheinend traten aber auch bei dieser wohlwollenden Geste immer wieder mal Funktionsstörungen auf, denn nach den Protokollen waren einige Beteiligte über die Versetzung nicht immer erfreut. Auch der Begriff <ggggg> taucht immer wieder in verschiedenen Längen auf. Das Weibchen "Rose18140" zeigte hiermit den anderen, daß es eine starke, ausgeprägte Zahnreihe hat und mahnte somit die Männchen zur Vorsicht. Die Länge der Zahnreihe gab also unmißverständlich an, inwieweit das Männchen oder Weibchen verteidigungsbereit war. Ein kurzes <g> wies immer auf ein älteres Exemplar hin, daß zu einer Verteidigung kaum noch in der Lage war. Arge Probleme bereitet uns immer noch die Floskel "Rose, dein Profil ist super". Da die Beteiligten das Haus nicht verlassen durften, gehen wir davon aus, daß nicht nur ein Gedankenaustausch, sondern auch ein Austausch von Grafiken stattfand, die das betreffende Männchen oder Weibchen zeigten. Ein nettes Gesicht regte also zu dieser Floskel an, war somit auch der Beginn eines Balzrituals, wenn auch in abgeschwächter Form.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche jetzt die Sitzung für einen
kurzen Imbiß. Danach werde ich mit meinen Erläuterungen fortfahren...
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